Wenn man sich verletzt, ist die erste aufkommende Reaktion meist Panik. Dies ist vollkommen natürlich, da der Körper durch das Ausschütten von Stresshormonen wie z.B. Adrenalin oder Cortisol das System auf den strukturellen Schaden, sowie die bestehende Gefahrensituation aufmerksam machen möchte. Dabei ist es umso wichtiger gerade in einer solchen Situation die Ruhe zu bewahren und sich bewusst zu machen, dass man keinen Einfluss mehr auf das Geschehene hat. Produktiver ist es, sich auf das zu konzentrieren, worauf man noch Einfluss hat, und das ist das optimale Versorgen der Wunde. Dabei nimmt unser Körper uns zum Glück den Grossteil der Arbeit ab. Denn ab dem Moment, wo man durch eine akute Reaktion des Körpers auf einen externen Stressor Schmerzen empfindet, beginnt unser Körper sofort mit der Wundheilung, um den ausgelösten Schaden zu minimieren. Um ihn dabei bestmöglich zu unterstützen, ist es vonnöten zu wissen in welcher Phase man sich befindet, um zum bestmöglichen Zeitpunkt den optimalen Reiz setzen zu können, dabei muss man allerdings zwischen offenen (z.B. Schnittwunden, Hautgewebe beschädigt) und geschlossenen (z.B. Prellwunden, Hautgewebe intakt) Traumata unterscheiden.
Die Wundheilung wird grob in 4 Phasen unterteilt welche fliessend ineinander übergehen.
Offene Wundheilung:
1.Exsudationsphase: 0-8 Stunden nach der Verletzung
-Diese Phase tritt sofort nach der Verletzung ein. Durch die verletzten Blut- und Lymphgefässe tritt sogenanntes Exsudat aus welches aus Blut, Proteinen, körpereigenen Abwehrzellen und Nebenprodukten besteht.
-Neben der Blutgerinnung dient das Exsudat zum ,,Ausschwemmen’’ der Wunde, um kleinere Fremdkörper zu entfernen und eine bakterielle Infektion zu verhindern.
-Der Wichtigste Bestandteil des Exsudats ist das Protein Fibrin, welches das Blut zum Gerinnen bringt. Dadurch wird die Wunde verschlossen und es dringen keine Keime von ausserhalb ein welche im schlimmsten Fall zu einer Wundinfektion führen können.
-Das so entstandene Blutgerinnsel wird umgangssprachlich Schorf genannt.
Massnahmen:
-Blutung/Exsudation stoppen
-Wunde penibel reinigen und desinfizieren
-Ruhe
2.Resorptionsphase: 1.-4. Tag nach der Verletzung
-In der zweiten Phase wird von unserem Immunsystem alles beseitigt was entweder abgestorben ist oder ein anderes Infektionsrisiko darstellt. Der Körper reinigt die Wunde mithilfe von Fress- und Abwehrzellen um Folgekrankheiten wie zum Beispiel Infektionen oder Wundchronifizierung zu verhindern.
Massnahmen:
-Wunde sporadisch lüften, um Blutgerinnsel trocken zu legen
-leichtes Eincremen (erst bei getrocknetem Blutgerinnsel)
-angrenzende Körperteile bereits leicht belasten, passiv und schmerzadaptiert betroffene Struktur mobilisieren
-bei betroffener Extremität diese ungefähr 50% der Zeit hochlagern, welche diese unter dem Körperschwerpunkt verbracht hat (Beispiel: Man sitzt nach frischer Gelenksprothese 12h, dann sollte man in regelmässigen Abständen ungefähr 6h davon das Bein hochlagern)
-leichte lymphatische Griffe, um die Resorption von Liquiden zu fördern und die Entzündung zu lindern
3.Proliferationsphase: 3.-10 Tag nach der Verletzung
-Da Wundverschluss (1) und Wundreinigung (2) abgeschlossen sind, beginnt der Körper in dieser Phase nun damit, das geschädigte Gewebe mithilfe von Granulationsgewebe zu ersetzen.
-Granulationsgewebe besteht aus einer Mischung aus Proteinen und kollagenen (proteinhaltigen) Fasern, welche bis zur Ausheilung das neue Gewebe bilden.
-Weiterhin beginnt der Körper in dieser Phase mit der Rekapillarisierung (Kapillaren=Blutgefässe) und durchzieht das Granulationsgewebe mit neuen Blutgefässen, um sowohl während der Ausheilung als auch in Zukunft das betroffene Gebiet bestmöglich zu versorgen.
-Sind alle Vorgänge in dieser Phase abgeschlossen, ist das in der 1.Phase gebildete Blutgerinnsel (Schorf) gänzlich von Kapillaren und Granulationsgewebe durchzogen und es beginnt sich langsam zu lösen.
Massnahmen:
-Schmerzadaptiert, leicht dosiert und vor allem direkt die betroffene Struktur belasten und mobilisieren
-Leichtes Eincremen
-Weiterhin hochlagern
-Wunde in progressiv höherer Frequenz an der Luft lassen
-Bei genähten Wunden (zum Beispiel Post-OP): Quarkwickel
4.Reparationsphase: Bis zu 2 Jahre nach der Verletzung
-Die letzte Phase wird vor allem durch Sklerosierung (=die Anreicherung von Gewebe mit mehr kollagenen Fasern) gekennzeichnet
-Nach und nach vertieft der Körper die Sklerosierung des Granulationsgewebes, bis dieses in Narbengewebe umgewandelt ist. Dieses ist zwar wie eine neue Haut aber oft weniger belastbar wie vor der Verletzung, selbst bei optimalem Heilungsverlauf.
Massnahmen:
-Erneutes Aufbauen der Koordination und Kontrolle betroffener Strukturen
-Progressive Belastungssteigerung der betroffenen Struktur durch betreute Physiotherapie mit eventuell anschliessendem sport/berufsspezifischen Kapazitätsaufbau via Medizinischer Trainingstherapie
Geschlossene Wundheilung:
1.Exsudationsphase: 0-8 Stunden nach der Verletzung
Auch hier tritt die Phase direkt nach der Verletzung ein, allerdings ist die Reaktion etwas anders als bei geschlossenen Wunden:
-Exsudat tritt aus, dient aber nicht zum Ausschwemmen der Wunde (die Liquide haben keine Austrittsmöglichkeit) sondern um je nach Lokalisation der Wunde Stabilität in das betroffene Gebiet zu bringen. Je gelenknäher die Wunde ist, desto eher tritt eine Schwellung auf, um das betroffene Gelenk zu unterstützen, man stelle sich hier einen aufgeblasenen Luftballon im Vergleich zu einem leeren Luftballon vor, der leere ist deutlich instabiler als der volle:
Das Gelenk lässt sich zwar schlechter bewegen und schmerzt, ist aber auch gegen weitere, übermässige Belastung besser geschützt, bis die Heilungsprozesse abgeschlossen sind.
Massnahmen:
-Hubarmes, schmerzadaptiertes Bewegen und Mobilisieren der betroffenen Struktur (Bewegung ohne Zusatzlast, nicht mal das eigene Körpergewicht) um den lokalen Stoffwechsel und den Lymphfluss anzuregen
-Hochlagern über Herzhöhe (wenn eine Extremität betroffen ist) mindestens 50% der Zeit, welche die Struktur unter der Herzhöhe verbracht hat (Beispiel: Ich habe 12h gesessen, davon sollte ich in Intervallen 6h mein Bein/Arm über Herzhöhe hochgelagert haben) um den Liquidrückfluss mit der Schwerkraft zu unterstützen
-Leichtes Belastungstraining benachbarter Gelenke/Strukturen, um indirekt Atrophie vorzubeugen und die Durchblutung anzuregen, ohne die Wunde direkt zu stressen
-Lymphdrainage
-Ruhe
2.Resorptionsphase: 1.-4. Tag nach der Verletzung
-In dieser Phase befindet sich die geschlossene Wundheilung auf ihrem Höhepunkt bis zu 72 Stunden nach dem Trauma, die Schwellung ist maximal und auch die anderen Entzündungszeichen (Funktionseinschränkung, Schmerz, Rötung und Wärme) können je nach Lokalisation der Wunde vermehrt auftreten
-Da die Wunde geschlossen ist, besteht ohne vorhergehende Krankheitsgeschichte auch kein Infektionsrisiko, heisst der Körper kann seine gesamte Energie darauf verwenden die geschädigten Strukturen bestmöglich zu reparieren und die Schwellung, wie der Phasenname schon sagt, zu resorbieren
Massnahmen:
-Schmerzadaptierte Belastung und Mobilisation der betroffenen Struktur, um Atrophie zu verhindern und das zentrale Nervensystem zu desensibilisieren
-Je nach Schwellungsausmass weiterhin nach o.g. Richtlinien hochlagern
-Progressiv höheres Belastungstraining benachbarter Gelenke/Strukturen, um weiterhin indirekt den Kapazitätsabbau zu verhindern
-Eine Minute starkes Kühlen (Eisbad, Eispaket ohne Umschlag, auf keinen Fall >1min, dies führt eher zu einer Durchblutungshemmung) zur Durchblutungsanregung
3.Proliferationsphase: 3.-10 Tag nach der Verletzung
-Auch hier wird die geschädigte Struktur vom Körper nach und nach von Granulationsgewebe und kollagenen Fasern durchzogen und die Rekapillarisierung setzt ein
-Die Entzündungszeichen nehmen deutlich ab je weiter die Phase voranschreitet und es bleiben leichte Hämatome (blaue/gelbe/grüne Flecken) zu sehen welche nach einer Weile von allein verschwinden
-Die Struktur gewinnt deutlich an Beweglichkeit zurück da die Schwellung zurückgeht (Vergleich Luftballon, siehe oben)
Massnahmen:
-Direktes, schmerzadaptiertes Beüben der betroffenen Struktur je nach Symptomatik
-Belastung und Mobilisation mit steigender Intensität um ROM (Range of Motion, Bewegungsumfang) zurückzugewinnen, die Intensität richtet sich dabei nach der Reaktion des Körpers (starke Rückkehr der Entzündungszeichen à Reiz zu intensiv, keine Rückkehr der Entzündungszeichen à Reiz in Ordnung oder zu schwach dosiert, sehr leichte Rückkehr der Entzündungszeichen à Reiz genau richtig)
-Dabei ist zu beachten: Nach der Rückkehr der Entzündungszeichen wieder Ruhe geben, bis diese abgeklungen sind und den Vorgang wiederholen, bis die Entzündungsreaktion ausbleibt
4.Reparationsphase: Bis zu 2 Jahre nach der Verletzung
-Das Gewebe heilt aus und wird belastbarer je mehr Zeit verstreicht, bis die ursprüngliche Kapazität wiederhergestellt ist (mit dem richtigen Training und Handling kann sogar darüber hinaus Kapazität aufgebaut werden)
-Es treten nach Beanspruchung keine deutlichen Entzündungszeichen mehr auf, ausser es wurde deutlich überbeansprucht
Massnahmen:
-Erneutes Aufbauen der Koordination und Kontrolle betroffener Strukturen
-Progressive Belastungssteigerung der betroffenen Struktur durch betreute Physiotherapie mit eventuell anschliessendem sport/berufsspezifischen Kapazitätsaufbau via Medizinischer Trainingstherapie
Dies sind nur sehr verallgemeinerte Richtlinien zum Handling von Verletzungen und Traumata, die Dauer, Symptomatik und der Heilungsprozess sind bei jedem Menschen unterschiedlich. Wir empfehlen in jedem Fall eine betreute Physiotherapie, um eine professionelle Rehabilitation zu gewährleisten, deshalb zögert nicht bei weiteren Fragen per Inbox/Email oder in der Praxis auf uns zuzukommen.
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