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Arthrose

Eine Diagnose, die jeder schon einmal gehört hat, selbst wenn sie ihn nicht selbst betrifft. Doch was ist eigentlich eine Arthrose, was macht sie aus und wie kann man sie effektiv behandeln? Das sind alles berechtigte Fragen, welche allerdings schwer umfassend beantwortet werden können. Arthrose ist nämlich eine multifaktorielle Erkrankung, das heisst, sie hängt von mehreren Faktoren ab (Geschlecht, Ernährung, Alter, Aktivität, Nebenerkrankungen, Soziale Herkunft, Schlafqualität, Bildungsstand uvm). Trotzdem wollen wir im heutigen Blogpost wenigstens versuchen, euch ein Überblick zu verschaffen.



Beginnen wir mit der Klassifizierung. Laut dem MSD Manual (Fachkompendium für Medizinische Fachkräfte und Patienten) ist Arthrose: ,,… eine chronische Gelenkerkrankung, welche die Gelenkknorpel und das angrenzende Gewebe schädigt. Typische Symptome sind Schmerzen, Gelenkversteifungen und Funktionsverlust. ’’ (unten verlinkt)



Bei Arthrose degenerieren also durch verschiedene Einflüsse (Beispiele s.o.) die Gelenkknorpel, also die aus Knorpelzellen bestehenden Schichten zwischen den Gelenken. Je nach Grad der Arthrose können auch noch weitere, strukturelle Veränderungen auftreten, wie beispielsweise Osteophytenbildung. Dies sind knöcherne Auswüchse an der Gelenkseite welche weitere Kompression des Gelenks abdämpfen sollen. Sowohl der verminderte Gelenkspalt, Knorpeldegeneration als auch die Osteophyten sind auf einem Röntgenbild sichtbar. Sobald das der Fall ist und passende Symptome auftreten (Schmerz, Funktionseinschränkung, Schwellung nach Belastung oder laute Krepitationen), kann von einem Arzt offiziell Arthrose diagnostiziert werden.




Im November 2014 - Juli 2015 wurde vom Robert-Koch Institut in Deutschland eine Umfrage durchgeführt, wie viele Personen unter diagnostizierter Arthrose leiden. Dabei nahmen aus 301 zufällig ausgewählten Gemeinden 24016 Personen aus unterschiedlichsten Altersgruppen teil. Im Alter von 18-65+ litten nach eigenen Angaben 22.18% der Frauen und 13,9% der Männer innerhalb der letzten 12 Monaten unter einer diagnostizierten Arthrose.



Dabei verursachen arthritische Veränderungen auf der Bildgebung nicht immer Symptome. Bis zu 75% der Personen ohne Symptome, welche einer Bildgebung ihres Knies unterzogen wurden, zeigen je nach Altersgruppe arthrotische Veränderungen (diese nehmen ab 45 Jahren deutlich zu). Dies unterstützt die These, dass diagnostizierte Arthrose nicht unbedingt die Quelle der Symptomatik sein muss. Weiterhin ist Knorpelgewebe allein nicht nerval innerviert, das heisst, es besitzt keine Nervenendungen und kann kein nozizeptiv-sensorisches Signal senden (nozizeptive Signale bilden einen Teil unserer Schmerzwahrnehmung, mehr dazu im Blogpost Schmerz). Also löst Arthrose bis zu einem hohen Schweregrad keinen Schmerz aus. Doch was löst dann den Schmerz aus?

Es besteht die Möglichkeit, dass bei einer weit fortgeschrittenen Arthrose die Knochenhaut der gebildeten Osteophyten bei starker Kompression ein nozizeptives Signal auslöst. Im Gegensatz zum Knorpel ist die Knochenhaut, die jeden Knochen umgibt, nerval innerviert. Weiterhin gibt es viele andere Strukturen, welche in der Lage sind, ein nozizeptives Signal auszulösen. Häufig ist es die Gelenkskapsel oder ein Teil des Bandapparats welcher Schmerz auslöst, je nachdem wie belastungstolerant diese sind. Auf einem klassischen Röntgen sind diese aber nicht sichtbar, daher kann Arthrose im Gelenk diagnostiziert werden, welche zwar auf dem Röntgen sichtbar ist, aber nicht die Symptome auslöst.


Demnach kann auch vom behandelnden Arzt eine Operation empfohlen werden, obwohl diese gar nicht nötig ist. Vor einem invasiven Eingriff, sollten immer die konservativen Behandlungsmethoden voll ausgeschöpft werden. Die einfachsten und effektivsten Methoden stellen dabei eine Optimierung von Körpergewicht/Ernährungsqualität, Aktivitätslevel, Schlafqualität und Patientenedukation dar.


Entgegen dem Missverständnis man dürfe arthrotische Gelenke nicht belasten, stellt dies sogar einen essenziellen Teil der Rehabilitation dar. Denn die Knorpelschicht in unseren Gelenken wird nur durch Bewegung mit Nährstoffen versorgt und hat damit die Chance so belastungstolerant wie möglich zu bleiben, selbst wenn schon eine gewisse Abnutzung vorhanden ist. Die regelmässige Belastung von Gelenken durch Ausdauer- und Kraftsport regt den Körper zur Bildung von Kollagen an, ein körpereigenes Protein, welches bis zu 30% aller Proteine im Körper ausmacht. Dessen Hauptaufgabe ist es, die Elastizität und Belastbarkeit von Gelenken, Sehnen, Muskeln und Knochen aufrecht zu erhalten. Bei einer Studie von 2014 (unten verlinkt) wurden die Knorpelmasse von Elite-Gewichthebern untersucht und festgestellt, dass sich durch die hohe, mechanische Belastung der Knorpel angepasst und verdickt hat. Dies geht damit einher, dass neben der Belastung auch eine gewisse Regenerationszeit besteht (siehe Blogpost: Training). Das soll nicht heissen, dass durch Krafttraining per se Knorpel wieder aufgebaut werden kann, aber die Gelenkfunktion und Lebensqualität kann durch eine adäquate Kräftigung deutlich verbessert werden. Somit stellt Aktivität und Belastung eine Grundlage für das Management von Arthrose dar, nicht nur in der Rehabilitation, sondern auch in der Prävention.


Da es von Patient zu Patient unterschiedlich ist wie weit die Arthrose fortgeschritten ist und welche Begleitsymptome auftreten, ist das wichtigste bei einem Übungsprogramm dass es auf den Patienten zugeschnitten ist und seine individuellen Defizite abdeckt. Genau dort kommt dann die Physiotherapie ins Spiel. Wir finden gemeinsam Übungen und Bewegungen, die vom Patienten toleriert werden, passen diese bei Bedarf an und instruieren wie diese in Bezug auf Häufigkeit und Intensität zu handhaben sind. Ob Arthrose nun die Schmerzen auslöst oder nicht, das Ziel der Behandlung sollte sein, gemeinsam einen Einstiegspunkt in Belastung zu finden und von dort aus aufzubauen, da progressive Belastungssteigerung auf jeden Fall einen positiven Effekt erzielt.


Falls ihr zu irgendetwas Fragen oder Kritik habt, kommt jederzeit in der Praxis oder per Inbox/Mail auf uns zu 😊




Disclaimer: Die hier verlinkten Studien sind natürlich nur ein Bruchteil dessen was wir über Arthrose wissen. Daher kann es passieren, dass in Zukunft Studien oder Erkenntnisse gewonnen werden, welche o.g. Blogpost redundant machen. Weiterhin sind die gewählten Studien so ausgesucht dass ein gewisser Standpunkt verdeutlicht und nicht dass die gesamte Thematik beleuchtet wird, da dies den vorgegebenen Rahmen sprengen würde.

















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